Pressemeldung
Wiesbaden, 12.05.2021
Kitas am Limit
Personal unter hohem Druck I Qualität sicherstellen I Transparente Kommunikation und verlässliche Konzepte erforderlich
Seit über einem Jahr herrscht Ausnahmezustand in den Kindertageseinrichtungen: Hygienekonzepte und neue Verordnungen zum Infektionsschutz müssen schnellstmöglich umgesetzt, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in den Arbeitsalltag integriert, verunsicherte Eltern und Kinder informiert und beruhigt werden. Besorgte Mitarbeiter*innen werden geschult und unterstützt, Personalausfälle kompensiert. Die Mitarbeitenden tun ihr Bestes, um weiterhin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich zu machen und geben den Kindern den gewohnten geschützten Raum zum Aufwachsen.
„Unsere Fach- und Leitungskräfte in den Kitas sind derzeit unter einem solchen Druck, es ist öfter die Rede von Überforderung und Überlastung“, sagt Regina Freisberg, Vorsitzende des Liga-Arbeitskreises „Kinder, Jugend, Frauen und Familie“. „Auf diese Alarmsignale muss das Land zügig und zukunftsweisend mit gezielten politischen Maßnahmen reagieren, ganz besonders vor dem Hintergrund der teils hohen Auslastung der Kitas und der steigenden Anzahl von Infektionsfällen auch bei Kindern und Jugendlichen.“
Langfristige Folgen der Corona-Pandemie für Kindertageseinrichtungen
Nach dem Ende der Pandemie ist ein nahtloser Übergang zum Kitabetrieb vor der Pandemie nicht möglich. Wir rechnen damit, dass vermehrt Mitarbeitende kündigen werden, was die Personalsituation weiter verschärfen wird. Viele Teams sind durch die vergangenen Krisen-Monate instabil geworden. Viele Kinder und Eltern haben die Einrichtungen lange nicht von innen gesehen, die Kinder erleben viele Wechsel und Unregelmäßigkeit im Alltag. Die Teams werden Zeit brauchen, Kontakte zu Kindern und Familien behutsam wieder aufzubauen.
Die „Fachgruppe Kita“ innerhalb der Liga Hessen hat Maßnahmen in einem Positionspapier zusammengetragen, die allen Beteiligten künftig mit ihren ganz individuellen Bedürfnissen gerecht werden sollen. Dafür benötigen die Träger den Rückhalt der politisch Verantwortlichen auf Landesebene.
Klare und transparente Kommunikation
Die derzeitige Auslastung der Einrichtungen liegt nach Datenlage der Corona-Kita-Studie bei konstant über 60 %, wobei es hier starke örtliche Schwankungen gibt. Der sogenannte Regelbetrieb unter Pandemie-Bedingungen ist de facto häufig ein eingeschränkter Regelbetrieb, da krankheits- und quarantänebedingte Personalausfälle ein vollumfängliches Betreuungsangebot oft nicht ermöglichen. Diesen Tatbestand gilt es öffentlich zu benennen und anzuerkennen.
Wir brauchen seitens des Landes und der Kommunen schnellstmöglich Klarheit und Transparenz bezüglich der Erstattung von Elternbeiträgen. Wenn klar ist, dass Eltern kein Geld bezahlen müssen, wenn sie die Betreuung nicht in Anspruch nehmen, würde es ihnen die privat organisierte Betreuung zu Hause erleichtern und entsprechend die Anzahl der Kinder in den Einrichtungen reduzieren. Auch für die Pädagog*innen ist hier Transparenz seitens der Politik wichtig. Sie sind zurzeit häufig den Anfragen und dem Unmut der Eltern zu der Frage der Rückerstattung von Gebühren ausgesetzt.
Fachkräfte gewinnen und halten
In der Pandemie bleibt für die Einrichtungen keine Zeit für Weiterentwicklung und Anleitung neuer Mitarbeiter*innen. Die Qualität leidet. Die Einrichtungen sind viel zu sehr damit beschäftigt, gesetzliche Regelungen und Hygienemaßnahmen umzusetzen. Träger und Leitungen brauchen Zeitkontingente für die Zusammenarbeit im Team, die pädagogische Planung und die Anleitung von Fachkräften in Ausbildung. Nur so können eine qualitätsvolle Bildung und Betreuung in und nach der Pandemie realisiert werden. Hierfür brauchen die Teams die Rückendeckung des Landes Hessen. Die Kitas müssen jetzt als Ausbildungsort gestärkt werden, damit die Studierenden und Auszubildenden dem Arbeitsfeld erhalten bleiben.
Landesweites Testkonzept absichern
Wir begrüßen, dass das Land Hessen die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung flächendeckend mit Selbsttests versorgt. Einzelverhandlungen der Träger mit den Kommunen waren nicht zielführend, um die Teststrategie umzusetzen. Damit sich SARS-CoV-2 nicht in den Kitas ausbreitet, sollten bei ansteigenden Inzidenzen auch Kinder getestet werden, damit symptomlose Infektionen frühzeitig erkannt werden können. Wir wünschen uns hier, dass das Land uns hier bei dieser Forderung unterstützt (z.B. ab Einsetzen der „Bundes-Notbremse“), um ein abgestimmtes Verfahren zu ermöglichen.
Die Tests sollten in diesem Fall zweimal pro Woche vom Land bereitgestellt werden und kindgerecht erfolgen. Eltern oder Kooperationspartner vor Ort sollten sie durchführen.
Wege aus der Pandemie planen
Gerade in Ausnahmesituationen wie dieser zeigt sich: Klare landeseinheitliche Konzepte sind nötig, um das Betreuungsangebot weiterhin zu sichern. Die Träger und Kita-Teams sind auf koordinierte und verlässlich kommunizierte Prozessschritte seitens des Landes angewiesen. Besonders langfristige Öffnungsschritte sollte das Land Hessen im Diskurs gemeinsam mit den Expert*innen des Berufsfeldes und des Infektionsschutzes entwickeln. Hierfür bietet sich die kontinuierlich tagende und gut eingespielte Gesprächsrunde des HMSI zum Thema „Kita und Corona“ an.
Bis dato ist der Großteil der Mitarbeitenden in hessischen Kitas immer noch nicht zweitgeimpft. Das bedeutet: Der volle Impfschutz bei den Fachkräften besteht bislang nur in Einzelfällen. Auch hier muss schnellstmöglich nachjustiert werden.
Und noch etwas hat die Pandemie gezeigt: Digitalisierung muss auch in den Kitas künftig viel stärker mitgedacht werden. Hier sind wir gerne bereit, gemeinsam mit dem Land eine langfristige Strategie zu entwickeln, um alternative und krisenfeste Kommunikationsformen mit Blick auf Elternkontakt und Kinderschutz einsetzen zu können.
Ansprechpartner*innen
Regine Haber-Seyfarth
Sprecherin FG Kita I AK „Kinder, Jugend, Frauen und Familie“
regine.haber-seyfarth@diakonie-hessen.de
Yan Vogel
FG Kita I AK „Kinder, Jugend, Frauen und Familie“
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V. ist der Zusammenschluss der sechs hessischen Wohlfahrtsverbände. Sie vertritt die Interessen der hilfebedürftigen und benachteiligten Menschen gegenüber der Politik ebenso, wie die Interessen ihrer Mitgliedsverbände. Mit ca. 7.300 Einrichtungen und Diensten sind die Mitgliedsverbände ein bedeutender Faktor für die Menschen, für eine soziale Infrastruktur und für die Wirtschaft in Hessen. Nah an den Menschen und ihren Bedürfnissen wissen die rund 113.000 beruflich Beschäftigten und rund 160.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen, Werkstätten, Tagesstätten, Bildungsstätten, Beratungsstellen, in den Frühförderstellen, ambulanten Diensten und anderen Einrichtungen um die sozialen Belange und die realen Rahmenbedingungen in Hessen. Diese Kenntnisse bringt die Liga in die politischen Gespräche auf Landesebene und mit Verhandlungspartnern und Kostenträgern ein.