Behindertenclub Odenwald benennt Probleme am „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen“
Ein Jahr liegt es zurück, dass der Behindertenclub Odenwald (BCO) in Michelstadt mit einer öffentlich wirksamen Aktion auf die unzähligen Barrieren aufmerksam gemacht hat, die Menschen mit Behinderungen das Leben schwer machen. Der richtige Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen, meinte am Samstag (5. Mai 2018) die Vorsitzende Elfriede Kissinger bei der Versammlung des Vereins in den Räumen des Diakonischen Werks.
Barrieren in den Köpfen überwinden
Anlass war der „Europäische Protesttag zur Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen“. In allen Gastbeiträgen wurde übereinstimmend deutlich, dass es vor allem darum gehe, „die Barrieren in den Köpfen zu überwinden“, wie Elfi Kissinger unter Beifall der über 30 BCO-Mitgliedern und Gästen feststellte. Seit dem Rolli-Event vor einem Jahr habe sich nicht viel getan. Die Beseitigung wesentlicher Barrieren ließe weiter auf sich warten. Als Beispiel wurde die Toilettenanlage am Michelstädter Großparkplatz herangezogen, die trotz Renovierungsarbeiten den gesetzlichen Vorgaben nicht entspreche. Zu hohe Bordsteinkanten, Verkehrsschilder mitten auf Gehwegen und andere alltägliche Barrieren machen der zunehmenden Zahl an Menschen, die einen Rollator benutzen, den Alltag schwer.
Bärbel Simon, Leiterin des Diakonischen Werks Odenwald und BCO-Geschäftsführerin, kündigte verstärkte Anstrengungen an, um Politik und Behörden auf die Rechte Behinderter aufmerksam zu machen. Auch Jutta Brandhorst, Referentin für Behindertenhilfe der Diakonie Hessen, bestätigte, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in die Praxis erst am Anfang stehe und „Inklusion erst dann verwirklicht sein wird, wenn wir nicht mehr darüber reden müssen“. Der Gast aus Kassel lenkte auch den Blick auf Menschen mit psychischen Erkrankungen und Sinneswahrnehmungen. In der Diskussion wurde sehr deutlich, dass Krankenhäuser unzureichend auf die Behandlung dieser Personenkreise vorbereitet sind und Lücken in den Kostenrechnungssystemen bestehen. Wichtig sei es, dass bereits in den Ausbildungs- und Studiengängen, von der Architektur bis zur Medizin, die Situation Behinderter stärker in das Bewusstsein aufgenommen und in den Unterricht verankert wird.
Bezogen auf die Situation im Odenwaldkreis stellte Kreisbeigeordneter Michael Vetter fest, dass im Bereich der Altenpflege alle stationären Einrichtungen vollständig ausgelastet sind, was auch die Kapazitäten in der Verhinderungspflege zutreffe. Als Einrichtungsleiter eines großen Hauses in Beerfelden wisse er um die Probleme und habe diese von Beginn an in den baulichen und organisatorischen Abläufen berücksichtigt. Den Interessenverbänden empfahl er, direkt auf Entscheider wie Bürgermeister zuzugehen, damit in den Verwaltungen das Thema angepackt werde.
Im Anschluss an den offiziellen Teil diskutierten die Teilnehmenden der Veranstaltung bei Kaffee und Kuchen weiter. Im Austausch waren auch Birgit Nennstiel, Vorsitzende des Beirats für Menschen mit Behinderung, Gabi Weber vom VDK, Dieter Scheuermann vom Verein für Reha- und Gesundheitssport Höchst und Dirk Kaffenberger von der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V.
Spaß und Lebensfreude dürfen nicht fehlen
Der BCO beschreibt sich in seiner Selbstdarstellung als Selbsthilfegruppe, die auch hilft der Einsamkeit zu entkommen und das Leben wieder fröhlicher zu erleben. Deshalb durfte bei der Veranstaltung ein vergnüglicher Teil nicht fehlen.
Nach der kommunikativen Kaffeepause wurde es spannend bei einer Verlosung. BCO Mitglied Miriam Gottschalk zog die Gewinner. Verlost wurde eine Fahrt im eigens für Rollstuhlfahrer umgebauten Motorrad-Seitenwagen. Diesen stellt Helga Jäger vom Verein für alle e.V. zur Verfügung. Auch Eintrittskarten fürs Museum und einen Restaurantgutschein gab es zu gewinnen. Diese Gewinne zeigten wieder auf, auf welche Probleme Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung stoßen: Ein Restaurant zu finden, in dem Rollstuhlfahrer frühstücken können und auch eine behindertengerechte Toilette vorfinden, ist im Odenwald fast unmöglich.
Die Veranstaltung war eingebunden in die Aktivitäten der Aktion Mensch zum Protesttag am 05. Mai und wurde von der Aktion Mensch gefördert.
Für die Referentin für Behindertenhilfe der Diakonie Hessen, Jutta Brandhorst, ist Menschen mit Behinderungen dann am besten geholfen, wenn Barrieren in den Köpfen beseitigt werden.
Helga Jäger vom „Verein für Alle e.V.“ mit dem umgebauten Seitenwagen. Damit können auch Rollstuhlfahrer Motorradtouren durch den Odenwald unternehmen. Eine Ausfahrt mit diesem Gefährt wurde vom verlost.
Über den Gewinn eines Restaurantgutscheins freut sich Finley (7), der sein Los bei der Odenwälder Sozialmesse abgegeben hatte.
Eingeladen anlässlich des Europäischen Protesttages der Menschenmit Behinderung hatte die Vorsitzende des Behindertenclub Odenwald e.V. (BCO) Elfi Kissinger.